Ende März zog es mich mit einer befreundeten Fotografin aus Berlin in die Niederlande und nach Belgien. Wir trafen uns in Hamburg und damit die Hinfahrt sinnvoll unterbrochen wurde, blieben wir zunächst eine Nacht in Greetsiel, das mit seinem malerischen Hafen und dem Pilsumer Leuchtturm in der Nähe mit zwei tollen Fotospots aufwartet, die schon lange auf meiner to-do-Liste standen.
Noch ahnten wir nicht, dass unsere geplanten Spots von einigen unangenehmen Begleiterscheinungen geplagt sein sollten. Wir kamen gut durch und trafen bereits am frühen Nachmittag optimistisch in Greetsiel ein. Die erste unangenehme Überraschung: von den bekannten Zwillingsmühlen, die wir abzulichten gedachten, war eine kopflos! Ein Sturmschaden hatte den gesamten Kopf der Mühle heruntergeweht, so dass er gerade zur Instandsetzung war. Also nahmen wir das Motiv wie es war und setzten die vollständige Mühle mit Kopf und Flügeln in den Vordergrund in der Hoffnung, trotzdem ein ansehnliches Foto zu machen. Da es noch dazu regnete und andere Perspektiven keinen Sinn machten, fuhren wir kurzerhand zum wenige Kilometer entfernten Pilsumer Leuchtturm, bekannt als Wohnstätte für Otto, den Außerfriesischen.
Dort wartete die nächste Pleite auf uns: im Deichvorland vor dem schicken rot-gelben Turm war alles aufgerissen und drei Bagger in orange und gelb zierten das Gelände. Auch hier war aufgrund der Bauarbeiten auch nur eine Perspektive möglich, um das baubedingte Unheil rund um den Leuchtturm auszublenden.
Zurück in Greetsiel nahmen wir uns zur blauen Stunde den idyllischen Hafen mit seinen Kuttern vor. Schon bei unserem Besuch am Nachmittag waren wir etwas enttäuscht, dass so wenig Kutter im Hafen lagen. Gegen Abend waren es nochmal ein paar weniger. Nun gut, das hielt uns nicht davon ab, hier stimmungsvolle Bilder des Hafens mit den mittlerweile beleuchteten Häusern zu machen. So waren wir dennoch mit unserer Ausbeute zufrieden und konnten uns beruhigt zum Essen in unser schönes Hotel Witthus begeben.
Am nächsten Morgen waren wir nochmal kurz am Hafen, aber das Licht am Vorabend zur blauen Stunde war doch konkurrenzlos. Also machten wir uns auf den Weg in die Niederlande, genauer gesagt nach Rotterdam.
Das Wetter passte, es war bedeckt, aber trocken. Unser erstes Motiv waren die bekannten Kubushäuser des Architekten Piet Blom. Der Gebäudekomplex der Kubushäuser ist aus 51 auf die Spitze gesetzten Würfeln zusammengesetzt. Diese modularen Häuser sollten eigentlich an mehreren Standorten gebaut werden. Es blieb allerdings bei zwei Standorten in Rotterdam und Helmond. Auch innen bedarf es spezieller Möbel, die zu den schrägen Wänden passen.
Danach schlenderten wir am Ufer der Nieuwe Maas entlang in der Absicht, dort zum Sonnenuntergang die elegante Erasmusbrücke zu fotografieren. Dort angekommen, spurteten wir erstmal auf die Mitte der 1996 eröffneten Schrägseilbrücke, um noch eine Ansicht von unten mitzunehmen. Dann ging es zur geplanten Stelle, um die Brücke nebst markanter Skyline aufzunehmen. Dort erwartete uns wirklich eine Überraschung: nach dem komplett bewölkten Tag leuchtete der Himmel plötzlich intensiv in Rosa, genau meine Welt! Bis zum Ende der blauen Stunde fotografierten wir die imposante Ansicht, um dann zum Abschluss des Tages in eine sehr gute italienische Pizzeria einzukehren.
Auf dem Rückweg nahmen wir noch die bunt beleuchteten Arkaden am Het Nieuwe Instituut im Museumspark mit, ein Spot für die Nachtfotografie unweit unseres Hotels (sehr empfehlenswert: das Parkhotel Bilderberg in toller zentraler Lage).
Unsere WetterApps hatten Regen prognostiziert und das bewahrheitete sich. Also ließen wir uns erstmal Zeit beim ausgesprochen guten Frühstück in unserem Hotel, um uns dann nochmal Richtung Museumspark aufzumachen, der nur wenige Fußminuten entfernt lag. Unser Ziel war das Depot Boijmans Van Beuningen, eine überdimensionierte verspiegelte Tasse mit einem dekorativ gestreiften Vorplatz. Als wir dort ankamen, wurde uns bewusst, dass unsere baustellenbedingten Pleiten noch nicht vorbei waren. Das gesamte gestreifte - oder vormals gestreifte - Areal war aufgerissen und mit einem Bauzaun abgesperrt. Na wunderbar, wieder ein Motiv weniger, da von den anderen Seiten kein Abstand zur silbernen Tasse möglich war. Ok, wir nahmen ein paar Detailaufnahmen mit und wandten uns dem nächsten Spot zu, der sich bei stetigem Regen geradezu aufdrängte: das tolle Treppenhaus in der Hochschule. Wir guckten so unauffällig wie man mit Fotorucksack und Stativ nur gucken kann, kamen problemlos rein und runter ins Treppenhaus. Gerade die Stative aufgebaut, kam ein Lehrer mit einer Horde lärmender Kinder vorbei. Die störten sich aber nicht an uns und wir konnten unbehelligt weiter fotografieren. In das oberste Stockwerk gingen wir auch noch, weil das schneckenförmige Treppenhaus von unten gelb aussieht und von oben durch rote Stufen besticht. Diverses Publikum, das vorbeizog, nahm genauso wenig von uns Notiz wie die Schulklasse. Das lief schon mal gut.
Der nächste Spot auf unsere Liste war das STC Building, das von unten betrachtet wirklich abenteuerlich aussieht. Wir waren mittlerweile komplett nass vom Regen, aber - oh Wunder - am Gebäude angekommen war es kurz trocken, was außerordentlich hilfreich ist, wenn man die Kameras auf den Stativen nach oben richten muss.
Bei so viel Regen hatten wir uns erstmal einen Kaffee im Hotel verdient. Da wir schon wieder 10 km gelaufen waren, fuhren dann wir erstmal mit dem Auto nach Kinderdijk, wo wir am nächsten Morgen fotografieren wollten. Wenn man zum Sonnenaufgang pünktlich erscheinen will - und das hatten wir vor - ist es immer gut, vorher schon mal zu prüfen, wo man parken kann und wie lange man noch zu Fuß unterwegs ist. Da wir nun schon motorisiert unterwegs waren, fuhren wir noch zwei etwas weiter entfernte Motive an: zuerst den Spoorweghaven mit rot verklinkerten wie Hamburger Speicherhäuser anmutenden Bauten mit grünen Dächern. Damit es nicht zu reibungslos für uns lief, lag ein dickes Militärschiff an der Stelle, an der wir fotografieren wollten, und versperrte uns die Sicht, so dass uns nur die zweitbeste seitliche Perspektive blieb. Dann fuhren wir zur historischen Koninginnebrug. Die sollte 2022 demontiert werden, weil eine für Jeff Bezos in Rotterdam gebaute Segeljacht die Brücke nicht passieren konnte. Nach massiven Protesten der Rotterdamer Bevölkerung ist der Antrag von der Werft wieder zurückgezogen worden. Man hat scheinbar eine schlauere Lösung gefunden und unser Motiv stand noch.
Abends ging es wieder zu Fuß los Richtung Delfshaven. Das historische Viertel mit seinem ehemaligen Hafen von Delft ist einer der wenigen Orte, die beim deutschen
Luftangriff im Mai 1940 nicht zerstört wurden. Zur blauen Stunde gingen die Lichter in den alten Gebäuden an und unser Tag fand einen wunderbaren Abschluss.
62 Prozent Bedeckung war zum Sonnenaufgang angesagt, das war unsere Gelegenheit, um morgens bei den Kinderdijk Mühlen zu fotografieren. Pünktlich 5.30 h ging es am Hotel los, eine knappe halbe Stunde war zu fahren und Samstag morgens waren die Straßen schön leer. Nach einem kurzen, schnellen Fußmarsch standen wir an der gewünschten Stelle. Der Himmel leuchtete bereits und wir erlebten einen wirklich schönen Sonnenaufgang. Außer uns beiden waren nur drei weitere Fotografen dort, es herrschte eine ruhige und entspannte Stimmung, also beste Bedingungen an diesem ikonischen Ort.
Das gesamte Areal mit seinen 19 Windmühlen, die 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurden, ist mehr als imposant und zählt nicht umsonst zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten in den Niederlanden.
Zurück in der Stadt hatten wir uns bereits das Frühstück verdient und nahmen danach Abschied von Rotterdam, einer Stadt, die von Gegensätzen geprägt ist. Alt und Neu vereinen sich, nachdem Rotterdam im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und danach quasi von Null wieder aufgebaut wurde. Daher war Rotterdam immer eine Spielwiese für die renommiertesten Architekten. Die prägnante Skyline am Ufer der Nieuwe Maas ist seit den 1980 Jahren entstanden. Wir haben uns in Rotterdam zu jeder Zeit wohlgefühlt, viel gesehen und bewundert und hatten zum Schluss den Eindruck, dass man länger hätte verweilen sollen - oder einfach nochmal wiederkommen muss!
Unsere Reise in die Benelux-Länder war noch nicht zu Ende, wir hatten eine Nacht in Antwerpen gebucht, keine weite Fahrt von Rotterdam aus. Antwerpen fiel zunächst mal dadurch auf, dass die Straßen im Gegensatz zu Rotterdam eng, verbaut und voller Baustellen und Umleitungen sind. Ein Aberwitz war das Parkhaus, das zum Hotel gehörte, und offenbar in den 1950er Jahre für seinerzeit übliche Autos gebaut wurde. Für mich bedeutete das, dass die Heckklappe geöffnet die Decke touchierte und das Verlassen des Parkhauses nur mit mehrfachem Zurücksetzen möglich war. Nun ja.
Wir hatten zunächst die Handelsbeurs Antwerpen auf dem Zettel. Die Neue Börse aus dem Jahr 1531 war die erste Börse überhaupt, die speziell für diesen Zweck gebaut wurde. Sie wurde später zum Vorbild aller Börsengebäude der Welt. 1997 wurde der Börsenhandel hier eingestellt, danach stand das Gebäude 20 Jahre leer und wurde mittlerweile umfangreich renoviert. Eigentlich ist nur das Erdgeschoss für Besucher freigegeben, weil in der 1. Etage Büros sind. Da wir aber gerne auf der Galerie in den prächtigen Innenraum fotografieren wollten, haben wir einfach mal freundlich gefragt und siehe da, wir konnten mit dem Aufzug hoch und in aller Ruhe unsere Stative aufbauen und fotografieren. Die Belgier sind wirklich entspannt.
Nach einem Kaffee am Eilandje ging es zur Bicycle Art Brücke, die ein Dach wie ein Schweizer Käse hat und insbesondere dann wirkt, wenn die Sonne durch die zahlreichen Löcher scheint. Auf die Sonne mussten wir etwas warten. Stative aufgebaut - ein Regenschauer. Stative wieder abgebaut - ein Blick in den Himmel, sollen wir warten? Da, ein Sonnenstrahl! Stative wieder aufgebaut - Sonne weg. Irgendwann hatten wir unseren Sonnenmoment und die gewünschten Bilder im Kasten.
Abends ging es mit dem Auto zum Havenhuis, bekannt durch seinen futuristischen Aufbau der Stararchitektin Zaha Hadid, der einem Diamanten nachempfunden wurde. 3,5 km zu fahren, das geht ja schnell, dachten wir. Falsch gedacht, wir standen in einer Umleitung, wir standen im Stau und aus dem Auto heraus konnten wir mit Fassungslosigkeit beobachten, wie der abendliche Himmel immer bunter wurde. Am Spot angekommen wurde uns aber schnell klar, dass die bunten Wolken ohnehin hinter uns gewesen wären. Wieder mal war das Areal durch einen Bauzaun abgesperrt, aber ein rücksichtsvoller Besucher vor uns hatte bereits eine Lücke gebastelt, durch die wir an das richtige Ufer gegenüber des Hafenhauses gelangten und zu unseren geplanten Fotos kamen.
Zum Abschluss des Tages suchten wir ein sehr gutes italienisches Restaurant auf und waren insgesamt hochzufrieden.
Am letzten Tag unserer Reise hatten wir uns den Bahnhof Antwerpen Centraal vorgenommen, der schräg gegenüber von unserem Hotel lag. Die Eingangshalle des 1905 eröffneten Bahnhofs ist mehr als pompös.
In den 1950er Jahren war der Bau so marode, dass sogar ein Abriss in Erwägung gezogen wurde. Glücklicherweise hat sich die Stadt für eine Instandsetzung entschieden.
Wir waren Sonntagmorgen um 8.00 h da, so dass der Bahnhof wirklich menschenleer war, ein Glücksfall für diesen Spot. Auch hier hatte das gelassene Bahnpersonal kein Problem damit, dass wir unsere Stative ausklappten. Und wir hatten schon wieder vor dem Frühstück unsere Wunschbilder im Kasten.
Damit endete unsere Reise erfolgreich. Insgesamt hatten wir neben Pleiten und Pech auch viel Glück. Greetsiel war Idylle pur, Rotterdam eine Wohlfühlstadt und Antwerpen zwar etwas anstrengend, aber ebenfalls sehr sehenswert. Neben tollen Spots und gutem Essen hatten wir natürlich auch viel Spaß zusammen. Da wir letztes Jahr schon zusammen in Amsterdam waren und uns die Reisen in unsere Nachbarländer so gut gefallen haben, ist nicht auszuschließen, dass wir nächstes Jahr erneut Richtung Benelux unterwegs sind.
Die Rückfahrt war von starkem Dauerregen geprägt, aber auf deutschen Autobahnen lief es sonntags problemlos, so dass wir gut in der Zeit lagen, als wir in Hamburg am Hauptbahnhof landeten, wo ich meine Mitreisende absetzte, und ich schließlich in Tating ankam.
Bilder aus Rotterdam und Antwerpen gibt es hier in der Galerie unter Cityscapes und Innenansichten und natürlich auf Instagram, Facebook und in der Fotocommunity.
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Mona Moraht (Sonntag, 31 März 2024 00:49)
Sehr schön geschrieben; eine wunderbare Erinnerung. Und tolle Fotos natürlich! Gerne wieder :-)
Sabine W. (Dienstag, 02 April 2024 20:18)
Ein sehr lebendiger Bericht-wäre gern bei solchen Momenten dabei gewesen...die Bilder sind ein Traum.
Rainer Willenbrock (Donnerstag, 04 April 2024 12:18)
Vielen Dank für diesen schönen und sehr ausführlichen Reisebericht.
Lieben Gruß, Rainer
Martin Schlosser (Freitag, 05 April 2024 15:35)
Sehr unterhaltsame Reisbeschreibung, so erklären sich die Bilder in fc bestens!